Sagenumwobenes Pflanzenreich

Märchen, Sagen und Überlieferungen sind seit Hunderten von Jahren Teil unserer Kultur. Alte Erzählungen sollen uns die Augen für das Richtige und das Falsche öffnen und gewähren uns einen Einblick in vergangene Zeiten. Da Schutzpflanzen und heilende Kräuter für die Menschen seit jeher von großer Bedeutung waren, wurden sie in Sagen und Märchen eingewoben.

Das „Gold“ und „Pech“ des Holundersholunder-foto

Ein Beispiel dafür ist der Holunder, in dem die Erd- und Himmelsgöttin Holle wohnen soll. Im Märchen „Frau Holle“ muss die fleißige Goldmarie die Betten aufschütteln, worauf es auf der Erde schneit. Bevor das fleißige Mädchen auf die Erde zurückkehrt, wird sie von Holle mit Gold bedeckt — schüttelt man selbst den Holunder zur Blütezeit, regnet es zarte, weiße Blüten und duftenden Blütenstaub vom Strauch herab. Die faule Stiefschwester hingegen wird mit schwarzem Pech — den schwarzen Holunderbeeren, die hartnäckige Flecken in der Kleidung hinterlassen — übergossen. Der Holunder ist bis heute ein Strauch, der den ewigen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt verkörpert. Das Märchen kann so auch mit den Aufgaben, die Verstorbene im Totenreich verrichten müssen, in Verbindung gebracht werden. Nach Erfüllen der Pflichten beschenkt Holle die Seelen mit Glück oder Pech. Am Holunder warten die Seelen dann darauf, von einer schwangeren Frau abgeholt zu werden. Ist dies nicht der Fall, bringt der Bote der Holle — der Klapperstorch — die Kinderseelen zu den Gebärenden.

Weißdorn: Hort für Elfendsc_0071-b

Der Weißdorn ist mit seinen strahlend roten Beeren und den stacheligen Dornen eine weitere sagenumwobene Pflanze. Früher glaubte man, Krankheiten an Weißdornhecken abstreifen zu können. So schnitt man in eine Hecke ein kleines Loch, durch das Menschen und Vieh hindurchschlüpfen mussten.
Elfen und Feen sollen sich beim Weißdorn besonders wohl fühlen. Daher hängten die Menschen früher Haare und Bänder in die Hecken und hofften auf gute Taten der Wesen. Wie viele andere Pflanzen wurde auch der Weißdorn in der Landwirtschaft als Orakel genutzt: Wenn der Weißdorn im Herbst viele Früchte trug, ging man von einem strengen Winter aus. Viele Blüten im Frühjahr sagten eine gute Kornernte voraus.

„Er liebt mich, er liebt mich nicht“

Bis heute haben sich Orakel mit bestimmten Pflanzen gehalten. Besonders bekannt ist das Liebesorakel mit dem Gänseblümchen: Ein Blütenblatt nach dem anderen wird vom kleinen Blütenköpfchen abgezupft und dabei „Er/Sie liebt mich“, „Er/Sie liebt mich nicht“ gezählt. Das letzte Blütenblatt entscheidet.
Auch der Wegerich verfügt durch seine starken Blattadern über die besten Vorraussetzungen für Orakelspiele. Reißt man ein Wegerichblatt quer durch, bleiben die Blattadern als Fäden stehen. Anhand der übrig gebliebenen Fäden sagten Kinder beim Orakelspiel voraus, wie oft jemand schon gelogen hatte, wie viele Liebhaber jemand haben wird oder wie viele Kinder man später bekommt. Die langen Fäden deuteten auf einen Burschen und die kurzen auf ein Mädchen hin.

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